Freitag, 29. Oktober 2010

Ceterum censeo

Nach gestrigem sehr impulsiven und frustrierten Kommentar heute einfach Back to the Basics. Aus Seite 19 analysiert Nikolaus Piper im Kommentar "Neues Spiel in Washington" die kommenden Wahlen in den USA aus seiner Perspektive. Dabei behauptet er:

Außerdem lassen sich die Haushaltsprobleme der USA ohne Steuererhöhungen auf mittlere Sicht kaum lösen.

Die US-Bundesregierung hat keine Haushaltsprobleme. Die US-Bundesregierung ist geldtechnisch souverän und finanziert ihre Ausgaben daher weder aus Schulden noch aus Steuern. Insbesondere der Punkt mit den Staatsschulden ist wichtig, daher wiederhole ich ihn mal wieder.

Funktional sind die Schulden der US-Regierung einfach Sparguthaben von Anlegern in einem Sparkonto bei der Regierung. Diese Schulden zurückzuzahlen bedeutet für die Regierung nichts anderes, als das Guthaben von dem Sparkonto auf ein Tagesgeldkonto bei der Fed zu überweisen. Das sind einfach nur Zahlenverschiebungen in einem Computersystem und daher vollkommen unproblematisch.

Aus volkswirtschaftlicher Perspektive könnte man sich höchstens über die Zinszahlungen für diese Schulden Gedanken machen. Dabei muss man sich aber klarmachen, dass die US-Regierung jederzeit beschließen könnte, ihre Zinszahlungen zu beenden. Sie müsste dazu lediglich alle existierenden Treasury Bonds auslaufen lassen ohne neue Bonds auszugeben.

Das Geld würde dann eben auf Tagesgeldkonten bleiben.

Volkswirtschaftliche Auswirkungen hätte das vermutlich schon, es könnte z.B. kurzfristig die Preise von klassischen Investitionsgütern wie z.B. Immobilien hochtreiben. Ob das schlecht ist oder nicht muss man von Fall zu Fall aus politischen Gesichtspunkten abwägen.

Wichtig ist aber, dass Nikolaus Piper hier einen Mythos verbreitet. Die Wahrheit ist, dass die US-Bundesregierung kein Haushaltsproblem hat. Außerdem ist es unsinnig, die Höhe von Steuern von finanziellen Überlegungen abhängig zu machen; die Höhe von Steuern sollte nur von realwirtschaftlichen Überlegungen abhängen, und die Art der Steuern sollte genutzt werden um, nun ja, zu steuern.

Zum systematischen Betrug der Bundesbürger in Sachen Vollbeschäftigung trägt auf der gleichen Seite der Artikel "Vollbeschäftigung frühestens 2020" bei:

Die Nürnberger Bundesagentur dämpft demgegenüber die Euphorie. Frühestens 2020 werde es Vollbeschäftigung in Deutschland geben, sagte Weise am Donnerstag. Was hieße: eine dauerhafte Arbeitslosenquote zwischen drei und vier Prozent.

Diese Definition von Vollbeschäftigung ist ein dreister Fall von politisch-ideologischer Manipulation. In der Bundesrepublik und in vielen anderen westlichen Staaten gab es eine 15-jährige oder längere Phase der Vollbeschäftigung in der Mitte des letzten Jahrhunderts. Die Arbeitslosigkeit lag damals (nahezu) konsistent unter 2%. Das war Vollbeschäftigung - accept no substitutes.

Übrigens: Damals wurde die Arbeitslosenquote auch noch nicht so effizient schöngerechnet wie heutzutage - war ja politisch auch gar nicht nötig, da es echte Vollbeschäftigung gab. Auf einige dieser Schönfärbereien macht der Artikel auch aufmerksam, und man muss ja auch loben, wo Lob angemessen ist:

Hinzu kommt, dass 1,15 Millionen Menschen im Oktober statistisch nicht als arbeitslos erfasst wurden, obwohl sie eine Beschäftigung suchen. Das sind Erwerbslose über 58 Jahren, Ein-Euro-Jobber oder Menschen, die gerade in einer arbeitsmarktpolitischen Maßnahme stecken. Die meisten von ihnen wollen über kurz oder lang aber wieder auf den Arbeitsmarkt. Vor allem aber sind da jene Menschen, deren Chancen immer kleiner zu werden scheinen.

Auch ist die BA die einzige offizielle Institution, die einen halbwegs realistischen Blick auf die Gefahren für die Konjunktur, die sich weltweit zusammenbrauen, hat. Und noch etwas:

Es fehlt an Jobs für Geringqualifizierte. Das sind aber die meisten der 800 000 Menschen, die derzeit nach Angabe von BA-Vorstand Heinrich Alt länger als ein Jahr und damit langzeitarbeitslos sind. „Wir brauchen gute Ideen für diese Menschen“, sagte Alt. Viele von ihnen hätten Suchtprobleme, Schulden, keine Ausbildung oder andere soziale Defizite. „Ich löse kein Suchtproblem, indem ich jemanden weiterbilde“, sagte Alt. „Da muss vorher etwas passieren.“

Eine solche gute Idee ist eine Jobgarantie. Das Problem, in dem sich die genannten Menschen wiederfinden ist, dass sie wegen ihrer Probleme vom privaten Sektor keinen Job bekommen. Ein echter Job wäre aber der beste Weg, um ihre Probleme zu lösen. Ein typischer Fall von Teufelskreis, der vom Staat aufgebrochen werden sollte. Auch das ist eine wichtige Motivation für die Jobgarantie.

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