Freitag, 15. Oktober 2010

Monetaristisches Absurdistan

Im Artikel "Chinesische Verhältnisse" auf Seite 17 widmet sich die SZ dem Herbstgutachten. Im Grunde ist bereits die Überschrift absurd, wenn man das Wirtschaftswachstum von China mit dem Deutschlands vergleicht. Abgesehen davon sind chinesische Verhältnisse ja auch nicht unbedingt erstrebenswert. Dann steht dort zu Zinsen und der wirtschaftlichen Entwicklung:

Glaubt man den Wirtschaftsforschern, so hat die Europäische Zentralbank einen großen Anteil am ungewöhnlich dynamischen Aufschwung in Deutschland. Weil sich der Zinssatz an den Wirtschaftsdaten des Euroraums insgesamt orientiert, liegt das aktuelle Zinsniveau für den Wachstumsprimus Bundesrepublik deutlich unter dem angemessenen Niveau. Das deutsche Wachstum wird dadurch über dass notwendige Maß hinaus stimuliert. Für andere Länder wie zum Beispiel Spanien und Griechenland ist das Zinsniveau hingegen noch viel zu hoch.

Dazu gibt es verschiedenes zu sagen:

  1. Der Leitzins der EZB ist zur Zeit bei 1,0%. Wie viel tiefer muss der Zins noch sinken, bis die Mainstream-Ökonomen einsehen, dass Geldpolitik nur begrenzt wirkfähig ist? Glauben diese Leute ernsthaft, ein niedrigerer Leitzins würde Spanien und Griechenland helfen? Wenn ja, warum wird der Leitzins dann nicht gesenkt?

    Zudem hat der Artikel zwei Sätze später überhaupt kein Problem damit, dass vor ein paar Jahren noch bei deutlich höheren Zinsen einerseits Deutschland gebremst, aber genau die Länder trotz noch höherer Zinsen geboomt haben, die heute unter den hohen Zinsen angeblich so leiden. Die Geschichten, die da erzählt werden, verändern sich so schnell wie die Propagandalinie des Wahrheitsministeriums in 1984.

    Der Hintergrund dabei ist allerdings einigermaßen klar. In Wirklichkeit ist die Geldpolitik nämlich ein sehr stumpfes Instrument.

    Von niedrigen Zinsen profitieren Kreditnehmer, während Kreditgeber darunter leiden. Wie sich niedrigere Zinsen insgesamt auf die Wirtschaft auswirken hängt daher ganz stark davon ab, wie diese beiden gegenteiligen Effekte verteilt sind. Das kann von Land zu Land und von Situation zu Situation verschieden sein, und genau darin liegt eine riesige Schwäche der Geldpolitik.

    Die Politik muss endlich einsehen, dass sie sich nicht immer nur auf Geldpolitik verlassen kann.

  2. Es ist schön, dass die Arbeitslosigkeit in Deutschland zurückgeht. Aber die Unterbeschäftigung liegt immer noch deutlich über 4 Millionen (präzise aktuelle Daten liegen nur bis März 2010 vor, aber die Unterbeschäftigung im September 2010 liegt sogar ohne Berücksichtigung von Kurzarbeit über dieser Grenze). Und selbst wenn man nur die zählt, die überhaupt keine Arbeit finden, kommt man noch auf über 3 Millionen Menschen in Deutschland. Vor diesem Hintergrund davon zu sprechen, dass über das notwendige Maß stimuliert wird, ist einfach nur zynisch.

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