Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ... wies Kritik etwa des griechischen Premiers Giorgos Papandreou zurück, durch die deutsche Forderung, private Gläubiger zu beteiligen, sei eine Schuldenspirale in Gang gesetzt worden. Solidarität sei keine Einbahnstraße, mahnte er. Die Spekulationen „haben nichts mit der Wirklichkeit zu tun“. Die neuen Regeln würden erst von 2013 an gelten.
Versetzen wir uns einmal in die Lage eines Portfoliomanagers, der die zur Zeit ungewöhnlich undankbare Aufgabe hat, für den Fonds oder die Versicherung, die ihn anstellt, Anleihen der Euro-Länder zu kaufen. Früher war das eine denkbar einfache Aufgabe: Staatsanleihen waren ein ausfallsicheres Geschäft, es ging also nur darum, möglichst höhe Gewinne herauszuschlagen. Dafür gibt es herzlich einfache Formeln, die man sich mit ein wenig Arithmetik selbst herleiten kann.
Heute ist die Lage anders. Anleihen von Griechenland, Irland, und einigen anderen Ländern versprechen rekordverdächtig hohe Renditen. Das Problem ist nur, dass die deutsche Regierung seit einiger Zeit sehr deutlich macht, dass Anleihen zukünftig nicht mehr ausfallsicher sein sollen - und natürlich sind gerade die Länder, deren Anleihen besonders hohe Renditen versprechen gleichzeitig diejenigen, bei denen eine etwaige Insolvenz am wahrscheinlichsten ist, wenn sie - und danach sieht es im Moment aus - politisch gewollt ist.
Ein Portfoliomanager kann daher auch Schäubles Aussage, neue Regeln würden erst ab 2013 gelten, auch nicht ernst nehmen. Die Politik hat seit der Griechenland-Krise sehr klar gezeigt, dass auf sie kein Verlass ist. Eine Insolvenz könnte daher lange vorher eintreten - wenn sie denn politisch gewollt ist. Und selbst wenn Schäuble mit seinem Zeitfenster bis 2013 Recht behalten sollte ist das - aus Sicht des Managers - keine Beruhigung, denn bei einer Insolvenz sind auch ältere Forderungen nicht sicher. Es ist also kein Wunder, dass die Zinsen auf 10-jährige Anleihen mancher Euro-Staaten zur Zeit explodieren.
Es ist übrigens auch kein Wunder, dass im gleichen Zeitraum die Zinsen auf deutsche 10-jährige Anleihen auf ein Rekordtief gesunken sind, eben weil besagte Portfoliomanager hin zu diesen als sicher geltenden Anleihen getrieben werden. Das Bundesfinanzministerium steht dadurch so gut da wie selten zuvor.
Ich habe mehrfach betont, dass eine Staatsinsolvenz politisch gewollt sein muss, denn es gibt eine Alternative - das lehrt uns die Modern Monetary Theory. Die Finanzminister der Euro-Zone könnten die EZB dazu verpflichten, für die Sicherheit der Staatsanleihen der Euro-Staaten zu garantieren. Das geht ganz pragmatisch mit wenigen Eingriffen in das System, und ohne Geldtransfer zwischen den Mitgliedsstaaten. Keiner der anderen Mitgliedsstaaten würde für diese Aktion auch nur einen Euro hergeben.
Das würde nicht bedeuten, dass den Euro-Regierungen beliebig große Defizite ermöglicht würden. Vielmehr bedeutet es, dass zwischen Regierungen, EZB und Europäischem Parlament eine Höhe der Schuldenaufnahme ausgehandelt wird, für die die EZB garantiert.
Ein solches Vorgehen wäre volkswirtschaftlich unproblematisch, würde die Schuldenkrise mit einem Schlag beenden und die europäische Integration in Hinblick auf eine abgestimmte Wirtschaftspolitik voranbringen. Es würde vor allem eine Zuwendung zu den eigentlichen Problemen ermöglichen - nämlich zur Wirtschaftskrise und der skandalös hohen Arbeitslosigkeit.
Da haben wir also den Weg, den die Bundesregierung geht, und eine Alternative. Ich bin mir sicher, dass Schäuble diese Zusammenhänge versteht. Schließlich ist er Finanzminister und damit der Chef über die Bundesfinanzagentur, die für die Ausgabe der Bundesanleihen zuständig ist. Wie unser Geldsystem funktioniert müsste ihm inzwischen jemand erklärt haben.
Es bleibt nur eine Erklärung. Wolfgang Schäuble, Mitglied der angeblich so europafreundlichen CDU, nimmt den Kollaps der Euro-Zone - und damit womöglich der Europäischen Union - in Kauf, um sich selbst einen persönlichen politischen Vorteil zu verschaffen - denn das Bundesfinanzministerium steht in der ganzen Situation zweifellos glänzend da.
Richtig traurig macht der Kommentar von Alexander Hagelüken auf Seite 4, "Der Preis des Euro".
Wenn Merkel ihre Pläne einstampft, wären Investoren und unsolide Regierungen im Paradies. Die Spekulanten könnten jederzeit hohe Zinsen auf irische oder griechische Staatsanleihen kassieren ohne Verlustrisiko – im Notfall würde ja allein der Steuerzahler einspringen. Und die Griechen könnten ihre Rekordverschuldung fortsetzen, weil sie von den Finanzmärkten keinen Druck mehr bekämen und von den Europartnern im Notfall doch Hilfe.
Ich habe schon weiter oben eine solidere Lösung des Problems angeschnitten, aber an dieser Stelle sollte ich weiter ausholen. Was keiner der Kommentatoren in der SZ versteht ist, dass in einem soliden Fiat-Geldsystem Staatsanleihen nicht der Finanzierung der Regierungsausgaben dienen. Die Regierung könnte Geld einfach ausgeben, und wenn die Regierung ein inflationsneutrales Defizit fährt dann liegt das einfach daran, dass der private Sektor Geld sparen will. Staatsanleihen dienen dann dazu, den Sparern eine verzinste Alternative zu Geld anzubieten. Dementsprechend steht es der Regierung eines Fiat-Geldsystems frei, die Zinsen, die auf Anleihen bezahlt werden, so zu wählen wie sie es will. Sie will 5% zahlen? Kein Problem. Sie will nur 1% zahlen? Auch kein Problem.
Der Haken bei der Eurozone ist, dass sie keine Regierung hat. Es wird auch äußerst schwierig sein, eine solide Regierung in hinreichend kurzer Zeit aufzubauen. Deshalb wäre es sinnvoll, die Aufgaben einer Euro-Regierung zumindest übergangsweise auf die nationalen Regierungen aufzuteilen. Eine dieser Aufgaben ist es, dem zyklischen Sparwillen des privaten Sektors mit einem entsprechenden Defizit entgegenzukommen. Aber wenn man diese Aufgabe auf nationale Regierungen übertragt, dann muss man ihnen auch einen Schutzschild gegen den Finanzmarkt geben. Dieser Schutzschild muss über Garantien der EZB bzw. Garantien eines noch zu schaffenden Euro-Finanzministeriums aufgebaut werden.
Das ist ein Teil des theoretischen Hintergrunds, der hinter meinem oben skizzierten Vorschlag steckt.
Europas Politiker sollten vereint Demonstranten in Athen oder demnächst Dublin klarmachen, dass es zu harten Sparhaushalten keine Alternative gibt.
Diese Art von Quatsch wird auch dann nicht wahrer, wenn man ihn täglich nachbetet. Die momentane Wirtschaftskrise zeichnet sich durch stillstehende Produktionskapazitäten - und ganz besonders hoher Arbeitslosigkeit - wegen mangelnder Nachfrage aus. In dieser Situation staatliche Ausgaben zurückzufahren wird die Nachfrage, und damit auch die Einkommen, noch weiter reduzieren. Und wenn die Einkommen des privaten Sektors weiter sinken, sinken auch die Ausgaben des privaten Sektors und damit die Nachfrage weiter - die Summe aller Einkommen ist gleich der Summe aller Ausgaben - wodurch die Steuereinnahmen weiter sinken und das Defizit weiter steigt.
Man kann eine stabile Wirtschaft auch erreichen, indem man die Wirtschaftsleistung auf Null fallen lässt.
Schön aber falsch rechnet Thomas Öchsner auf auf Seite 6 im Artikel "Mehr Geld für Rentner":
Die 20,4 Millionen Rentner in Deutschland können in den nächsten 15 Jahren auf erfreuliche Rentenerhöhungen hoffen. Die Bundesregierung rechnet damit, dass die gesetzlichen Altersbezüge bis 2024 um durchschnittlich 1,9 Prozent pro Jahr steigen.
Dummerweise sind das nominale Rentenerhöhungen. Wenn man die Inflation berücksichtigt, sehen diese Zahlen alles andere als rosig aus. Besonders kritisch wird das vor dem Hintergrund, dass die Bundesbank ein Inflationsziel von 2% anstrebt. Sollte sie damit erfolgreich sein, würde das jährlich einen Rückgang der realen Renten um 0,1% bedeuten.
Den ein oder anderen Aha-Effekt dürfte der Artikel "Eine These, die nicht passt" auf Seite 17 auslösen.
Es wäre schön gewesen, mit Klaus Brenke zu sprechen. Der Arbeitsmarktexperte beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) hat eine Studie mit einer brisanten These verfasst: Einen grundlegenden Mangel an Fachkräften gebe es in Deutschland nicht, lautet sie. Ursprünglich sollte die Untersuchung am Dienstag erscheinen. Noch am Morgen hatte die Pressestelle des Instituts das angekündigt. Am Mittag hieß es dann aber, die Studie werde erst am Donnerstag vorgelegt. Es müssten einige redaktionelle Änderungen vorgenommen werden. Autor Brenke war bis zum Nachmittag nicht erreichbar. Später sagte er am Telefon, er dürfe heute nicht reden. Eine hausinterne Vereinbarung stehe dem entgegen.
Da sieht man mal, wie ernst es dem "Institut für Wirtschaftsforschung" mit der Forschung ist. Vielleicht sollten sie sich in "Institut für Wirtschaftsdogmatik" umbenennen?
Schön ist, dass im Gastbeitrag "Gefährliche Ungleichheit" auf Seite 18 einmal zu Wort kommt, dass die in den letzten drei Jahrzehnten deutlich gewachsene Ungleichheit in Deutschland zu großen Teilen für die Krise verantwortlich ist. Warum aber auch hier vom
... XXL-Wachstum ...
geschwafelt wird, wird mir ein Rätsel bleiben.
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