Samstag, 6. November 2010

Die Ja-Sager

Ein ganz und gar erstaunlicher Vorgang ist der Artikel "Wie Deutsche künftig ihr Einkommen versteuern" auf Seite 23. Darin wird ganz offen so getan, als wäre der Vorstoß zur Umgestaltung der Einkommenssteuer von Schäuble bereits beschlossene Sache - dabei regt sich sowohl aus der Regierungskoalition als auch von Seiten der Kommunen ganz schön heftiger Widerstand.

Ohne Rücksicht auf demokratische und rechtsstaatliche Prinzipien macht sich die Wirtschaftsredaktion der SZ hier gewissermaßen zum Propagandaarm des Finanzministers. Ich fühle mich erinnert an den vorauseilenden Gehorsam bei der Umsetzung der geplanten Hartz IV-Änderungen lange vor deren endgültigem Beschluss.

Mir bleibt nur Kopfschütteln.

Erfreulicher ist die Botschaft im Artikel "Europäer sollen gemeinsam für Schulden geradestehen" auf Seite 25.

Der Sprecher der 16 Euroländer, Jean-Claude Juncker, will die Solidarität der Partner untereinander stärken und gemeinschaftliche Anleihen einführen.

...

Künftig sollen die Euroländer solidarisch für einen Teil der Gesamtschulden haften. Die Grenze soll bei dem Schuldenstand liegen, der 60 Prozent der Wirtschaftskraft jedes Eurolandes entspricht – so viele Schulden sind nach EU-Regeln gerade noch erlaubt. Diese Schulden sollten gebündelt und kollektiv garantiert werden, fordert Juncker. Für alle darüber liegenden Schulden müssten die Länder national haften.

Noch steht der genau vorgeschlagene Mechanismus nicht fest, aber das ist ganz klar ein Schritt in die richtige Richtung. Ich schreibe schon länger, dass die Einrichtung einer zentralen Euro-Fiskalregierung notwendig ist, um die Eurozone langfristig am Leben zu erhalten. Die Ausgabe gemeinsamer Anleihen ist ein kleiner, aber wesentlicher Schritt in diese Richtung.

Enttäuschend ist die Begründung, die Juncker verwendet:

Es sei richtig und nachvollziehbar, die Steuerzahler zu entlasten. Nötig sei es jedoch auch, die Finanzmärkte zu beachten. „Wir müssen eine kluge europäische Lösung finden, die beider Interessen berücksichtigt“, sagte Juncker.

Die Notwendigkeit gemeinsamer Anleihen hat nichts mit dem Finanzmarkt zu tun, sondern mit der grundlegenden Funktionsweise eines Fiat-Geldsystems. Das Zitat weckt in mir daher nicht gerade Hoffnung, dass Juncker die Lage wirklich versteht. Wir können trotzdem gespannt sein, was die Zukunft bringt. Vielleicht wird aus der Eurozone ja doch irgendwann mal ein vernünftiges System. Schön wäre es jedenfalls.

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