Donnerstag, 11. November 2010

"Geld pumpen"

Auf Seite 1 steht heute im Artikel "Merkel verwahrt sich gegen Obamas Kritik":

Obama verteidigte in dem Brief auch die Entscheidung der US-Notenbank, Milliarden Dollar in die lahmende US-Wirtschaft zu pumpen, um den Aufschwung zu beflügeln.

Was wird dort unter "Geld pumpen" überhaupt verstanden? Und steckt darin das Potential, einen Aufschwung zu beflügeln? Lesen wir weiter:

Merkel zeigte sich besorgt angesichts der Entscheidung der US-Notenbank, Staatsanleihen im Wert von 600 Milliarden Dollar anzukaufen.

Aha! In Wirklichkeit wird also überhaupt kein Geld in die Wirtschaft gepumpt! In Wirklichkeit werden finanzielle Mittel mit langer Laufzeit und Zinsen (Anleihen) gegen finanzielle Mittel mit kurzer Laufzeit und ohne Zinsen (Geld) eingetauscht. Das hat natürlich zur Folge, dass die kurzfristigen Zinsen sinken.

Was sich die Monetaristen davon erhoffen ist, dass dann mehr Kredite von Banken an die Wirtschaft vergeben werden. Diese Kredite werden von der Wirtschaft verwendet um die Auslagen zu bezahlen, die zur Produktion benötigt werden. Sie überbrücken also die Zeit zwischen Einkauf von Input und Verkauf von Output.

Die Kehrseite davon ist: diese Kredite werden - ganz unabhängig von der Höhe der Zinsen - nur aufgenommen, wenn die Wirtschaft realistische Hoffnungen hat, den dadurch ermöglichten Output auch verkaufen zu können. Aber genau daran hakt es in der jetzigen Krise: die Nachfrage nach Produkten ist einfach zu niedrig, um die realen produktiven Kapazitäten der Wirtschaft auszulasten. Dadurch entsteht Arbeitslosigkeit.

Die Politik der Fed wird also nichts dazu beitragen, die Krise zu beenden. Wenn die Krise durch eine erleichterte Kreditvergabe beendet werden könnte, dann wäre das schon vor langer Zeit geschehen, als die Zentralbanken weltweit ihre Leitzinsen gesenkt haben. Es ist nicht passiert, also wird es auch zukünftig nicht passieren.

Auf Seite 4 zeigt Nikolaus Piper in seinem Kommentar "Amerikas Schwäche" überraschende Einsicht - mal sehen, wie lange sie anhalten wird:

Derzeit ist immer noch Deflation das größere Risiko als eine Teuerungswelle. Vermutlich werden die jüngsten Aktionen der Notenbank sogar weitgehend folgenlos bleiben.

Den Irrwitz der ganzen Währungsdiskussion hat er aber auch nicht kapiert:

Ohne Aufwertung des Yuan ist an einen Abbau der globalen Ungleichgewichte nicht zu denken.

Das ist so unsinnig. Wenn die USA einen aufgewerteten Yuan wollen haben sie zwei Möglichkeiten. Entweder sie lästern - wie es jetzt passiert - wirkungslos herum in der Hoffnung, eine Aufwertung des Yuan entgegen der natürlichen Entwicklung der Devisen-Märkte zu erreichen.

Oder sie kommen der chinesischen Regierung - die ganz offenbar US$ bunkern will - entgegen und geben ihren Bürgern einfach genug Geld in die Hand, um so lange Produkte aus China zu kaufen bis die chinesische Regierung keine Lust mehr hat und damit aufhört, US$ aufzukaufen.

Bei der zweiten Option folgt die Aufwertung des Yuan als natürliche Entwicklung auf den Devisen-Märkten, und nebenbei profitieren dabei noch die Bürger der USA von den Importen. (Eine ähnliche Analyse würde grob auch auf Deutschland zutreffen, wäre Deutschland nicht an den Euro gebunden. Ein weiterer Unterschied ist, dass Deutschland primär Investitionsgüter, China aber Konsumgüter exportiert.)

Aber warum den einfachen Weg gehen, wenn man auf komplizierte Weise nichts erreichen und trotzdem viel Lärm machen kann?

Während in der SZ von "tö" in "Weise Worte ohne Wirkung" auf der gleichen Seite noch vom

... Superboom ...

fabuliert wird, wird andernorts bereits ein anderes Bild gezeichnet. Möglich, dass sich das noch erholt, aber unwahrscheinlich. Und auch bei dem "Sparvorbild" Irland zeichnet sich inzwischen - wie vorherzusehen war - ab, dass Sparen einfach nicht funktioniert, siehe "Dublin Blues" auf Seite 26. Unkenntnis der Funktionsweise des Systems ist auch hier zu finden:

Ein Auseinanderbrechen der Eurozone, wie vor allem in London gerne kolportiert, sieht er nicht. Auch Meißner hält den Euroraum für „extrem attraktiv“, auch vor dem Hintergrund der Schwächen anderer Währungszonen.

Das ist Unsinn. Der Euro unterscheidet sich von allen anderen Währungen dadurch, dass es in ihm keine souveräne Regierung gibt, die unabhängig von Finanzmärkten als Stabilisator auftreten kann.

Dadurch ist das Euro-System unabwendbar instabil. Schon ein kleiner Ausreißer in den Anleihemärkten kann zu einer selbstverstärkenden Rückkopplung führen, die in einem Staatsbankrott endet. Diese Rückkopplungsschleife funktioniert so. Nehmen wir an, ein Euro-Mitglied leidet besonders unter einer Krise und muss besonders viele Schulden aufnehmen. Dies kann zu Skepsis auf den Anleihemärkten führen, d.h. Investoren meiden die Anleihen dieses Landes. Deshalb muss dieses Land höhere Zinssätze auf die Anleihen bezahlen, wodurch es natürlich letztlich noch mehr Schulden aufnehmen muss, und der Kreis schließt sich.

Souveräne Staaten wie z.B. die USA leiden nicht unter einer solchen Rückkopplungsschleife. Sie können dem Markt die Zinsraten ihrer Anleihen aufdiktieren. Die Finanzmärkte werden die Anleihen in jedem Fall kaufen um überschüssige Reserven loszuwerden, solange die Zinsrate der Anleihen über der auf überschüssige Reserven von der Zentralbank bezahlten Rate liegt. Diese Zusammenhänge sind einfach zu verstehen, wenn man sich einmal mit der Funktionsweise von Zentralbanken und der Bedeutung von Anleihen in einem vernünftigen Fiat-Geldsystem auseinandergesetzt hat.

Verstärkt wird diese Rückkopplungsschleife in der Euro-Zone übrigens noch ganz extrem durch den "Stabilitätspakt" - welch Ironie! Befindet sich die Wirtschaft eines Landes in der Krise, so ist die angemessene Reaktion des Staates darauf in der Regel eine expansionäre Fiskalpolitik - also ein höheres Defizit. Dieses höhere Defizit wird aber durch den Stabilitätspakt untersagt. So wird die Regierung dazu gedrängt, das Defizit zu reduzieren und dadurch die Wirtschaft des Landes weiter abzuwürgen - genau das passiert gerade in Irland.

Die Katastrophe ist also vorprogrammiert. So gesehen kann man Griechenland für die Griechenland-Krise keine Schuld zuweisen. Wenn Griechenland besser aufgestellt gewesen wäre, dann hätte es eben ein anderes Euro-Land erwischt. Aber irgendjemand musste dran glauben, das wurde durch die Instabilität des Marktes unausweichlich.

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