In der SZ von heute, Montag, dem 27. September, erzählt Marc Beise auf der Meinungsseite unter "Genau nachgerechnet" seine Meinung. Das sei ihm gegönnt. Am Ende des Artikels verbreitet er aber einen Mythos:
"Wer Hartz IV erhöht, verschärft falsche Anreize. [...] Erhöht man die
Sätze zu stark, wird die Arbeitslosigkeit wieder steigen."
Das ist grober Unfug. Welcher Mechanismus könnte es sein, durch den bei Erhöhung der Hartz IV-Sätze die Arbeitslosigkeit steigt?
Ich vermute, Marc Beise will hier die menschenverachtende Vorstellung transportieren, dass höhere Hartz IV-Sätze dazu führen, dass sich Menschen auf die faule Haut legen. Das ist zwar schon deshalb falsch weil man diese Sätze nur bekommt, wenn man bereit ist, jedes adäquate Arbeitsangebot anzunehmen. Zudem ist es empirisch einfach nicht richtig. Aber selbst wenn diese Vorstellung richtig wäre (was sie nicht ist), würde es immer noch nicht dazu führen, dass die Arbeitslosigkeit steigt.
Nennen wir einmal die Größe der offiziell aktiven (arbeitenden oder arbeitssuchenden) Bevölkerung A, die Anzahl der Beschäftigten B und die Anzahl der Arbeitslosen C. Dann gilt per Definition (unter Nichtberücksichtigung von statistischen Tricksereien mit denen ich mich nicht auskenne):
A = B + C
Wenn die Hartz IV-Sätze erhöht werden führt das natürlich nicht dazu, dass Firmen ihre Mitarbeiter entlassen. Die Anzahl der zur Verfügung stehenden Arbeitsplätze in der Wirtschaft insgesamt hängt nicht vom Hartz IV-Satz ab. B bleibt also konstant.
A wird sich durch veränderte Hartz IV-Sätze auch nicht ändern. Also bleibt C - die Arbeitslosenzahl - zwangsläufig konstant.
Wenn es tatsächlich Menschen geben sollte, die sich angesichts höherer Sätze erfolgreich aus der Arbeit stehlen würde das nur bedeuten, dass dadurch für andere Arbeitslose, die bisher keine Arbeit hatten, neue Stellen frei werden, und diese danach nicht mehr arbeitslos sind.
Insgesamt ändert sich die Anzahl der verfügbaren Arbeitsplätze nicht, und deswegen kann sich auch die Anzahl der Arbeitslosen insgesamt nicht ändern. Es ändert sich höchstens die Zusammensetzung der Hartz IV-Bezieher - das heißt, am unteren Ende der Lohnskala wird Arbeit umverteilt.
(Caveat: Ja ja, es könnte natürlich rein theoretisch auch sein, dass durch höhere Hartz IV-Sätze die aktive Bevölkerung A zunimmt, weil sich Menschen, die sich eigentlich schon aus dem Arbeitsleben verabschiedet hatten, als arbeitssuchend melden um die höheren Sätze zu kassieren. Dann würde die Arbeitslosenzahl C höchstwahrscheinlich ebenso steigen - aber das ist garantiert nicht das Szenario, das Marc Beise im Kopf hatte, als er den oben zitierten Quark geschrieben hat.)
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