Mittwoch, 9. März 2011

Euro-Rettung - was tun?

Auf Seite 26 skizziert Catherine Hoffmann in "Kollaps oder Rettung: Europa in der Schuldenkrise" aus ihrer Perspektive ganzseitig fünf "Fluchtmöglichkeiten" aus der Euro-Krise und übersieht dabei den Elephanten im Raum: eine stabile Währung verleitet die Menschen dazu, netto finanzielle Ersparnisse ansammeln zu wollen. Diesen Ersparnissen müssen, rein rechnerisch, Schulden gegenüberstehen (auch das heraufbeschworene "Geld drucken" ändert daran nichts, denn Geldscheine sind im Grunde einfach nur unverzinste Schuldscheine). In der Eurozone gibt es keine starke souveräne Institution, die die Rolle des Schuldners übernehmen kann. Das ist eine fundamentale Fehlkonstruktion, und solange dieser Fehler nicht behoben wird, kann die Euro-Krise nicht langfristig bewältigt werden.

In diesem Kontext ist folgende Behauptung zu lesen:

Nach Prognosen der EU wird der Schuldenstand der Griechen schon im nächsten Jahr auf mehr als 150 Prozent der Wirtschaftsleistung steigen, eine Last, die dauerhaft nicht zu tragen ist.

Wahr ist, dass eine geldsouveräne Regierung so eine "Last" (ist es denn überhaupt eine Last?) problemlos tragen kann. Das folgt aus einer klaren Analyse der Funktionsweise von Fiatgeldsystemen, und wird empirisch durch Japan belegt. Das Problem ist natürlich, dass die griechische Regierung nicht geldsouverän ist. Folglich ist die logische Konsequenz, dass eine geldsouveräne Euro-Regierung geschaffen werden muss, die direkt oder indirekt die Schulden der griechischen Regierung übernimmt.

Vollkommen weltfremd ist dieser Abschnitt:

Noch ist die Hilfe eine endliche Größe, doch der Rettungsfonds lässt sich aufstocken, die lebenserhaltenden Maßnahmen können verlängert werden. Damit sichergestellt ist, dass Wackelkandidaten zu jedem Zeitpunkt Geld bekommen – und zwar zu günstigen Zinskonditionen. Als Gegenleistung geloben die Schuldensünder dann Besserung. Resolute Haushaltsdisziplin sorgt dafür, dass auch Länder wie Griechenland, Portugal, Irland und Spanien in wenigen Jahren die Neuverschuldung unter die Drei-Prozent-Marke drücken – am besten auf null.

Hier wird über das fiskale Defizit einer Regierung geredet, ohne den Kontext der realen Wirtschaft zu berücksichtigen. Das ist der fundamentalste Denkfehler, den man in volkswirtschaftlichen Zusammenhängen begehen kann. Es ist offensichtlich, dass die Defizite der genannten Länder ganz wesentlich durch steigende Arbeitslosigkeit und sinkende Steuereinnahmen entstanden sind, und durch irregeleitete Bankenrettungen. Weitere Ausgabenkürzungen würden diese Effekte nur noch verstärken. Das Sparen kann gar nicht gelingen, und zerstört nebenbei auch noch jede Hoffnung auf eine realwirtschaftliche Erholung - siehe Großbritannien.

Vor allem aber setzt die Transferunion falsche Anreize, Ökonomen sprechen von „Moral Hazard“: Hochverschuldete Länder werden dazu eingeladen, sich auf den Krisenmechanismus zu verlassen.

Dass das Unfug ist sieht man schon daran, dass genau dieser Mechanismus innerhalb föderal organisierter Staaten wie z.B. Deutschland problemlos funktioniert. Selbst wenn man das nicht glauben sollte gibt es eine einfache Abhilfe: da ja, wie oben bereits gesagt, das Grundproblem ist, dass die Schulden nicht bei einer geldsouveränen Regierung liegen, könnte man einfach eine Euro-Regierung schaffen, die über die nächsten Jahre einfach pauschal jährlich 1000€ pro Kopf an die Mitgliedsstaaten der Eurozone zahlt. Damit lässt sich das Problem ganz ohne Moral Hazard beseitigen. Noch besser wäre natürlich ein zentral finanziertes Programm zur direkten Schaffung von Arbeitsplätzen, denn das hätte einen direkteren positiven Effekt auf die Arbeitslosenrate, die in Europa aus realer Perspektive zur Zeit das Hauptproblem ist.

Aus diesem Grund droht souveränen Staaten nicht so schnell der Bankrott: Sie haben Macht über die Druckerpresse. Unter Ökonomen wie Charles Blankart ist der Trick als Ponzi-Spiel bekannt, benannt nach dem italienischen Finanzjongleur Charles Ponzi.

Richtig erkannt hat die Autorin die Funktionsweise von Geldsystemen leider nicht. Es ist falsch, dass souveräne Staaten nicht so schnell bankrott gehen können. Richtig ist, dass souveräne Staaten gar nicht bankrott gehen können. Manchmal verweigern sie aus politischen Gründen die Zahlung - so z.B. Japan im Zweiten Weltkrieg aus naheliegenden Gründen - aber das ist ein anderes Thema. Bankrott zu gehen bedeutet, eingegangenen monetären Verpflichtungen nicht mehr nachgehen zu können. Ein souveräner Staat kann eingegangenen monetären Verpflichtungen immer nachgehen, solange sie in der eigenen Währung notiert sind. Der Vergleich mit Ponzi-Spielen, besser bekannt als Schneeballsystemen, ist daher grundfalsch.

Alles Hyperventilieren über Hyperinflation kann nichts daran ändern, dass Inflation nichts mit Geldmenge zu tun hat, sondern mit Angebot und Nachfrage. Übersteigt die Nachfrage das Angebot, wie z.B. vor einigen Jahren in Zimbabwe, und soll Inflation vermieden werden, dann muss die Regierung einschreiten und die Angebotssituation verbessern (der konkrete Fall wurde durch einen Kollaps der Agrarwirtschaft ausgelöst) oder die Nachfrage drosseln, entweder durch gezielte Steuererhöhungen oder durch Ausgabenverminderung. Aber ob es so weit ist erkennt man eben nicht am Staatsdefizit, und erst recht nicht an der Höhe der Staatsschulden. So sehr es den monetaristischen Ideologen auch missfallen mag, nur der Blick in die reale Wirtschaft hilft hier weiter.

Der Weg aus der Euro-Krise ist klar. Durch von einer zentralen Euro-Regierung finanzierten (aber durchaus lokal umgesetzten) fiskalische Expansion müssen direkt Arbeitsplätze geschaffen werden und dadurch die Wirtschaft angeschoben werden. Dies geschieht durch ein Public Works-Programm, in dem jeder Regierungsinstanz in der Eurozone und jeder gemeinnützigen Organisation die Möglichkeit gegeben wird Arbeitsplätze auszuschreiben, die zu einem festgesetzten Mindestlohn bezahlt werden, für jeden zugänglich sein müssen, und deren Lohnkosten zu 100% von der zentralen Euro-Regierung finanziert werden. Gleichzeitig sollte diese Regierung die Zinsen für langfristige Anleihen aller Euro-Staaten für die nächsten Jahre auf höchsten 3% beschränken. Zudem muss das Potential für schädigendes Verhalten der Finanzmärkte eingedämmt werden, zum Beispiel indem durch progressive Vermögens- und Erbschaftsteuern die Ungleichverteilung der Vermögen etwas zurückgedreht wird.

Wenn alle diese Ansätze umgesetzt würden, stünde Europa ein goldenes Zeitalter bevor. Ich bitte darum alle Leser, diese Konzepte zu durchdenken, mit Bekannten zu diskutieren, und anderweitig an die Öffentlichkeit zu tragen.

1 Kommentar:

  1. Danke Nicolai. Ich dachte mir doch, dass du zu diesem Machwerk der SZ, wofür eine ganze Seite Papier verschwendet wurde, einige Worte verlieren würdest.

    Übrigens findet sich auch hier die perfide Argumentation bei Szenario 3: Der Staat mit "hochfliegenden Plänen", wenn die "Wünsche kein Ende nehmen" wird nachher Butter und Brot teurer. Als ob ein Sozialversicherungssystem Wünsche ohne Ende wären, oder gar Luxusreisen oder ähnliches.. Nunja.. Ich hoffe dass deine zahlreichen Leser es in die Welt hinaustragen ;)

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